Zu viel Rummel um das Y2K-Problem?

Pessimisten hatten für die Silvesternacht vor Katastrophen wie
Flugzeugabstürzen, großflächigen Stromausfällen und einem riesigen Chaos in
allen Bereichen des öffentlichen Lebens gewarnt. Doch die Computer in aller
Welt haben bislang ohne größere Probleme den Wechsel ins Jahr 2000
verkraftet. Nun stellen sich viele Menschen die Frage, ob der ganze Rummel
um das Jahr-2000-Problem nicht völlig übertrieben war.

Diesen Einwand wollen Experten aber nicht gelten lassen: "Alle, die in den
vergangenen Monaten an diesem Problem gearbeitet haben, wissen genau, welche
gravierenden Fehler aufgetreten wären, wenn man nichts getan hätte", sagte
Frank Sempert von der Initiative 2000, einem Zusammenschluss großer
Unternehmen der Informationstechnologie. "Es wäre aber ein Wunder gewesen,
wenn nach all diesen Vorbereitungen noch Ernsthaftes passiert wäre."

Die weltweite Wirtschaft war Mitte der neunziger Jahre durch erste düstere
Prognosen zum Jahr-2000-Problem aufgeschreckt worden. 1997 sagte der
renommierte Wall-Street-Ökonom Edward Yardeni voraus, dass durch fehlerhafte
Computer und Software eine globale Wirtschaftskrise wie beim Ölschock Mitte
der siebziger Jahre drohe. Inzwischen rückt der Chefökonom der Deutschen
Bank Securities etwas von dieser Aussage ab. Zum Entspannen sei es aber noch
zu früh, meint Yardeni.

Niemand kann genau sagen, wie viel Unternehmungen und Regierungen ausgegeben
haben, um ein Jahr-2000-Computerchaos abzuwenden. Die Schätzungen reichen
von rund 600 Milliarden bis 1,2 Billionen Mark. Deutschland gehörte zu den
Ländern, die mit erheblichen finanziellen Aufwand gegen den Jahr-2000-Fehler
vorgegangen waren. Allein die Deutsche Telekom gab rund 300 Millionen Mark
aus, um ihre Anlagen auf den Jahreswechsel vorzubereiten. Hätte die Telekom
darauf verzichtet, wären viele Vermittlungsstellen ausgefallen,
Telefonrechnungen wären falsch berechnet worden.

Der amerikanische Computerriese IBM investierte sogar umgerechnet 1,1
Milliarden Mark, damit die eigenen Rechner das Jahr 2000 unbeschadet
erreichen. Der Lohn: In der Silvesternacht meldete sich kein einziger Kunde
mit einem Jahr-2000-Problem.

"Wenn wir nicht diesen Aufwand getrieben hätten, wäre das Chaos
ausgebrochen", ist sich Andy Kyte, der Jahr-2000-Experte der US-
Beratungsfirma GartnerGroup, sicher. "Wir hätten ernsthafte Zusammenbrüche
in wichtigen Computersystemen im öffentlichen und privaten Bereich erlebt,
die zu massiven Störungen im politischen, sozialen und wirtschaftlichen
Leben geführt hätten."

In den 24 Stunden geöffneten Supermärkten der USA sprach sich in der
Silvesternacht die gute Botschaft schnell herum. Die Kunden legten nach
Mitternacht nicht mehr Notfall-Artikel wie Batterien und Wasserflaschen in
die Einkaufswagen, sondern kauften stattdessen Bier und Wein, berichtete
eine Sprecherin der Kette "7-Eleven".

Computerexperten befürchten nun aber, dass mancher am Montag, dem ersten
Arbeitstag im neuen Jahr, mit einem Jahr-2000-Kater aufwachen wird. "Dann
müssen sich Unternehmen mit widerspenstigen Bürosystemen, Durcheinander im
Rechnungswesen und fehlerhaften Datenerfassungs-Anwendungen befassen", sagte
der Vizepräsident des Beratungsunternehmens IDC, John Gantz.

Auch Bill Gates befürchtet, dass zumindest kleinere Störungen auftreten
werden: "Es gibt noch etliche Probleme, die bislang nicht entdeckt worden
sind", sagte der Microsoft-Chef. "Da gibt es noch etwas Durcheinander, das
aufgeräumt werden muss." (Christoph Dernbach, dpa) (cp[1]/c't)

  ------------------------------------------------------------------------
URL dieses Artikels:
  http://www.heise.de/newsticker/data/cp-02.01.00-001/

Links in diesem Artikel:
  [1] mailto:cp@ct.heise.de

  ------------------------------------------------------------------------
Copyright 1999 by Verlag Heinz Heise